Ohne die Topstars, aber…
Sie werden spielen in Peking. Und das ist schon was. Vor einigen Wochen stand das Eishockey-Turnier der Olympischen Spiele ernsthaft auf der Kippe. Omikron legte ganze Ligen lahm, es konnten kaum noch welche der terminierten Partien ausgetragen werden, und nach der Absage der größten aller Ligen, der NHL, in der die Weltklasse sich versammelt, herrschte erst einmal Enttäuschung: Keine Dream Teams in Peking. Kein Connor McDavid für Kanada, kein Alexander Owetschkin für die russische Auswahl, kein Leon Draisaitl für die stark gewordenen Deutschen. Im Wesentlichen werden die Olympia-Teams nun aus den jeweiligen eigenen Ligen gebildet. Die USA, die mit NHL-Stars einer der großen Favoriten gewesen wären, kommen nun mit jungen wilden College-Boys. Was allerdings an 1980 erinnert, an die größte Stunde des olympischen Eishockeys, als der amerikanische Außenseiter die sowjetischen Staatsamateure, die als unschlagbar galten, auseinandernahmen.
Der Vorteil, eingespielt zu sein
Und so wird das Turnier in Peking doch noch seinen Reiz bekommen. Die spannenden Fragen lauten: Ist die deutsche Nationalmannschaft im Vorteil, weil alle Spieler in ihr sich bestens können und auch mögen? Wie stark werden die Russen sein, die ihre Mannschaft nun aus der Kontinental Hockey League (KHL) rekrutieren, die so etwas ist wie eine osteuropäische Version der nordamerikanischen NHL? Reicht die Zeit den Kanadiern, um zu einer Einheit zu werden? Oder bekommt die Schweiz mit lauter gut ausgebildeten Spielern endlich mal den Lauf, der ihrem Talent entspricht? Es gibt einen leichten Favoriten unter den nun gegebenen Umständen, nämlich Russland, aber keinen eindeutigen.
Der 13 + 1-Joker
Was wichtig ist: Timing. Die Vorrunde in drei Gruppen zu je vier Nationen entscheidet noch gar nichts, niemand wird nach drei Spielen ausgeschieden sein. Die drei Gruppensieger und der punktbeste Zweite ziehen automatisch ins Viertelfinale ein, die restlichen acht bleiben im Wettbewerb und spielen vier weitere Viertelfinalisten aus. Man muss also zum richtigen Zeitpunkt fit sein. Und gesund. Das Corona-Statut besagt: Spielfähig ist eine Mannschaft mit 15 Feldspielern und zwei Torhütern (aus einem 25er-Kader), einmal darf sie auch mit 13 + 1 antreten. Das kann knifflig werden: Erwischt das Virus eine Mannschaft in der Vorrunde, ist es vielleicht besser, eine Niederlage am Grünen Tisch fürs Nichtantreten einzustecken und sich den 13 + 1-Joker für die K.o.-Spiele aufzubewahren. Der Weltverband hat den Teams angeboten, eine Einheit von sechs Spielern (genannt „taxi squad“) in Peking außerhalb des Olympischen Dorfes bereitzuhalten, doch die Deutschen verzichten darauf. Es wäre psychologisch zu belastend für diese spezielle Reserve: Sie wären kein richtiger Teil Olympias, ihnen bliebe nur die Trainingsteilnahme – und sie wären in der Gefahr, sich zu infizieren und nicht heimreisen zu können. Außerdem fängt während der Spiele zu Hause die DEL mit ihrem Nachholprogramm ein.
„Lieber danach in der Zeitung stehen“
„In zwei Tagen könnten wir Ersatz in Peking haben, falls was ist“, sagt der deutsche Sportdirektor Christian Künast. Er war 2018 als Co-Trainer in Pyeongchang dabei, als sensationell Silber gewonnen wurde. Die Erinnerung, versichert er, bereite ihm noch immer verlässlich Gänsehaut. Mit den kessen Voraussagen will man es aber nicht übertreiben. Bundestrainer Toni Söderholm rät seinen Spielern: „Lieber danach in der Zeitung stehen als davor.“