Hingucker Ingolstadt
Zu den Klubs in der DEL, über die am kontroversesten diskutiert wird, zählt der ERC Ingolstadt. Nicht dass die Oberbayern – von der überraschenden Deutschen Meisterschaft 2014 abgesehen – eine Geschichte hätten, die sie in die Reihe glorreicher Traditionsvereine stellt wie die Kölner Haie, die Düsseldorfer EG, Eisbären Berlin oder Adler Mannheim, doch die Ingolstädter sind ein Hingucker. Einer, bei dem einem aber auch die Augen wehtun können.
Es begann mit Camouflage
Jede Mannschaft muss neben einem Heim- und einem Auswärtstrikot noch eine dritte Garnitur bereithalten, ein Ausweichtrikot; viele nutzen die Chance für die Vermarktung, sie legen ein Sondertrikot auf. Vor zwei Jahren trat der ERC Ingolstadt – wohl auch als Tribut an die militärische Geschichte seiner Region – im Camouflage-Look an, als müsste er ins Feld ziehen. Vorige Saison ging er einige Male in Neon-Gelb aufs Eis – dagegen wirkte die Gelbwesten-Bewegung in Frankreich optisch dezent. Und diese Saison ist Pink angesagt: Ein schauderhaftes, provozierendes Pink. Aber es scheint zu wirken: Der ERCI donnerte Nürnberg im Autobahn-A9-Derby mit 7:2 weg. Er ist pretty in pink – und hat in der Tabelle Anschluss an die Spitzengruppe gefunden.
Schwache Torhüter, aber gute Stürmer
Als es im September losging, hatte Ingolstadt als Team gegolten, das zu den Top Vier der DEL gehören müsste. Doch der Start geriet schleppend, obwohl sich der starke Kader nicht sehr zu seinem Nachteil verändert hatte. Im Oktober noch herrschte Krisenstimmung, die Fans diskutierten, ob Sportdirektor Larry Mitchell oder Trainer Doug Shedden gefeuert würde. Sie stritten öffentlich. Shedden haderte mit den Torhütern Kevin Reich und Karri Römö, die Mitchell verpflichtet hatte. Weiterhin liegen beide unter einer Fangquote von 90 Prozent. In der Statistik der kompletten Liga sind sie die Nummer 22 und 27 – von 27 Keepern. Ingolstadt muss viele Tore schießen, um das auszugleichen. Das gelingt aber: Es sind 70 in 22 Spielen. Platz eins.
In Bayern schwindet der Heimvorteil
Dritter ist Ingolstadt, wenn man nur die Heimspiele berechnet. In den vergangenen Wochen war in der Saturn-Arena wieder Normalität gelebt worden, der Zuschauerschnitt auf über 3000 gestiegen. Bayern war, was die Auslastung der Hallen betrieb, großzügiger als die anderen Bundesländer, er erlaubte sogar 100 Prozent Auslastung. Damit ist es in Zeiten explodierender Corona-Fallzahlen vorbei. Vorerst werden die bayerischen Vereine sich nach Weisung des Kabinetts mit 25 Prozent begnügen müssen. Und auf einmal stehen sie am unteren Ende der Skala, In Ingolstadt dürfen – vorläufig gilt das bis 15. Dezember – nur noch 1100 Fans dabei sein, wenn ihre „Schanzer Panther“ auflaufen. Auch Straubing, wo das Stadion nicht umsonst „Am Pulverturm“ heißt, und Augsburg, das sich selbst „Hölle des Südens“ nennt, stehen in der Heimtabelle besser da als im Gesamtranking – für sie ist die Stimmung in ihren Stadien ein Erfolgsfaktor. Der erst einmal fehlen wird.
Aber Ingolstadt behält – auch wenn weniger Anhänger in die Halle dürfen – einen wesentlichen Vorteil, und den kann auch das Virus nicht nehmen: schockierend pinke Trikots.