Gross der geschockte Trainer
Pavel Gross, der Trainer der Adler Mannheim, erledigte seine Pflicht. Ein letztes Interview der Saison. Er stand vor der Wand mit den Sponsorenaufklebern, hatte einen Kopfhörer auf, um die Fragen zu vernehmen, mahlte mit den Backenknochen und brachte kaum ein Wort heraus. „Glück gibt es nicht im Eishockey“, sagte er und war froh, als er das Gespräch beenden konnte. Derweil stand sein Wolfsburger Kollege Pat Cortina lässig einen halben Meter hinter der Fernsehwand und spielte mit dem Puck, der ihm Glück gebracht hatte, als er in der drittletzten Minute über die Linie des Wolfsburger Tors gegangen war. 2:1 für die Wolfsburg Grizzlys, 2:1 in der Halbfinalserie gegen Mannheim – Cortinas Team ist der Überraschungsteilnehmer am Finale um die Deutsche Eishockey-Meisterschaft, das schwuppdiwupp schon am Sonntag beginnt.
Zwei aus der schwächeren Gruppe
Die Corona-Saison hat in den Playoffs richtig verrückt gespielt. Die Experten hatten mehrheitlich auf ein Finale zwischen Mannheim und München getippt, den Meistern seit 2015. Doch München scheiterte im Viertelfinale an Ingolstadt, Champion von 2014, Mannheim, Dominator im Süden und mit Abstand punktbeste Mannschaft der DEL, an der Wolfsburger Mittelklasse. Nun bestreiten die kurze Endspielserie von maximal drei Partien die Eisbären Berlin, die seit 2013 nichts mehr gewonnen und die Grizzlys Wolfsburg, die gar niemand auf der Rechnung hatte. Zwei aus dem Norden der DEL – der gemeinhin als deutlich schwächer galt als der Süden.
In den Playoffs immer wieder im Rückstand
Und zwei, die in den Playoffs einiges durchgemacht haben. „Wir standen öfter mit dem Rücken zur Wand“, meint Marcel Noebels, der Topstürmer aus Berlin. Im Viertel- und Halbfinale starteten die Eisbären mit einer Heimniederlage, im dritten Halbfinalmatch lagen sie 0:2 zurück - und drehten es zum 4:2. Ryan McKiernan, ein Verteidiger, ist mit sechs Playoff-Treffern plötzlich die Tormaschine. Jedenfalls: Viel kann die Mannschaft nicht mehr erschüttern.
Pat Cortinas wundersame Geschichte
Allerdings gilt dies auch für die Wolfsburger. Ins Viertelfinale gegen Bremerhaven starteten sie als das schlechtere Hauptrundenteam. Das erste Halbfinale verloren sie, im zweiten lagen sie zurück, Manager Charly Fliegauf sagte im TV-Interview vor dem letzten Drittel: „Wir haben die Qualität, das zu gewinnen.“ Die Spieler bestätigten ihn. Und steckten im entscheidenden Spiel den nächsten Rückstand weg. Der Erfolg ist auch die wundersame Geschichte des Trainers: Pat Cortina hatte nach bescheidenen Jahren als Nationaltrainer – er verpasste die Qualifikation für die Olympischen Spiele 2014 – Schwierigkeiten, wieder in der Liga unterzukommen. Zuletzt war er in Schwenningen entlassen worden, über Wolfsburgs Interesse wundert man sich.
Wolfsburg spielt anders als die anderen
In Zeiten, in denen modernes Eishockey von einem aggressiven Forechecking geprägt ist, lässt Cortina seine Truppe das System „The Trap“ spielen, das seine Hochphase in den 1990er-Jahren hatte. Man lässt den Gegner erst einmal kommen, erwartet ihn – scheinbar passiv – erst in der eigenen Hälfte. Es ist folglich schwer, gegen Wolfsburg Tore zu schießen – erst recht, wenn Dustin Strahlmeier, der Torwart, ein gebürtiger Gelsenkirchener, einen Sahnetag hat.
Der Goalie, der heiß läuft, der Verteidiger, der auf einmal trifft und trifft, der Stürmer, der eine Spiel alleine entscheiden kann wie der Berliner Matt White oder der Wolfsburger Max Görtz – unter diesen Vorzeichen geht die DEL in ihren letzten Akt. Eisbären – Grizzlys. Das denkbar bärigste Finale.
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