Mannheims emotionale Sternstunde
Dass keine Zuschauer in der weitläufigen Mannheimer SAP-Arena zugegen waren, spielte in diesem Moment keine Rolle: Die Spieler auf dem Eis, zumindest der der Adler Mannheim, vermissten nichts von den üblichen Playoff-Zutaten: Energie, Emotion, Enthusiasmus. Das dritte Viertelfinale vom Samstag gegen die Straubing Tigers wird – zumindest kleine Teile davon - als Sternstunde in die Vereinsgeschichte eingehen. Mannheim, Erster in Süden, lag gegen Straubing, auf den letzten Drücker als Vierter überhaupt noch in die Playoffs gekommen, bis zehn Minuten vor Schluss mit 0:3 im Rückstand. Der erklärte Meisterschaftsfavorit blickte in den Abgrund, in den der Mit-Titelanwärter München zwei Tage zuvor schon gefallen war. Es drohte das Aus. In der ersten Runde. Was für eine Peinlichkeit. Doch Mannheim erhob sich, Trainer Pavel Gross griff zum letzten Mittel, nahm in der 50. Minute Torwart Dennis Endras vom Eis, ersetzte ihn durch einen Feldspieler, und die Adler erzielten 1:3, 2:3, 3:3. Und in der Verlängerung gewannen sie. So ging die Serie mit 2:1 Siegen an sie. Ab Montag treffen sie im Halbfinale auf Wolfsburg.
"Den Drachen geschlachtet"
Auch wenn mit Mannheim letztlich das Team mit den besseren Möglichkeiten weiterkam, so hat sich doch gezeigt, dass diese Blitz-Playoffs, in denen nicht mehr Best of Seven gespielt wird, sondern Best of Three, das DEL-Eishockey noch unberechenbarer machen. Wer hätte schon geglaubt, dass Ingolstadt, das sich erst im November entschloss, überhaupt zur Saison anzutreten und da erst begann, Spieler zu verpflichten, den reichen EHC München eliminiert, der mit feststehendem Kader seit August im Training auf dem Eis stand. Nach zwei Siegen (4:1, 5:4 nach Verlängerung) spielte Ingolstadts Trainer Doug Shedden auf den eigentlich ungleichen Kampf an, den sein Team und er gewonnen hatten: „Wir haben den Drachen geschlachtet.“1
Kühneres Eiszeiten Management
Warum aber haben nun auch die vermeintlich kleineren Teams gute Chancen – wie auch die Iserlohn Roosters zeigten, die die Eisbären Berlin zumindest in ein drittes Spiel zwangen? Nun, maximal drei statt sieben Spiele erlauben den Trainern ein kühneres Eiszeiten-Management. Stellen sie sich auf eine lange Serie ein, verteilen sie die Einsätze im Kader gleichmäßiger, denn den Top-Cracks soll nicht die Luft ausgehen. Bei zwei oder drei Partien hingegen forcieren sie die besten Spieler. Beispiel Ingolstadt: Verteidiger Mathew Bodie kam im Schnitt der beiden Viertelfinal-Matches auf fast 30 Minuten Eiszeit – üblich sind für einen Top-Defender 18 bis 20 Minuten. Überstrapaziert fühlt einer wie Bodie sich nicht: „Ich denke gar nicht darüber nach, ich gehe einfach aufs Eis.“ Und auch in der Offensive gilt: Wenn es ergebnismäßig knapp wird, schalten die Coaches von vier auf drei Sturmreihen um. Vorfahrt haben die mit mehr Erfahrung, der besseren Form, der höheren individuellen Qualität.
Was bleiben kann: Spiele bis tief in die Nacht
Bleiben noch die Torhüter: Sie werden noch mehr zu zentralen Figuren. „To run into a hot goaltender“, auf einen Torwart treffen, der heiß ist – das fürchten alle. Hoffen aber, dass sie selbst so jemanden zwischen den Pfosten stehen haben. Und mit Blick auf die dick gepolsterten Helden geht es in die Halbfinal-Runde: Mannheim gegen Wolfsburg, Berlin gegen Ingolstadt – alles ist möglich. Möglicher denn je.