Plötzlich Quarantäne
Innerhalb von einer Woche ist es nun dreimal passiert: Eine komplette Eishockey-Mannschaft wurde vom zuständigen örtlichen Gesundheitsamt in Quarantäne gesteckt. Wie aus dem Nichts ist die Corona-Pandemie zurück. Gerade füllen sich die Stadien wieder, in Bayern ist mit der 2G- oder 3Gplus-Regel sogar Vollauslastung bei Verzicht auf Masken erlaubt – doch die Akteure unten auf dem Eis müssen das Virus untereinander weitergeben, so sieht es zumindest aus.
Viel Zeit in muffigen Kabinen
München, Düsseldorf, Iserlohn – sie sind die betroffenen Klubs. Der EHC München hält mit 22 positiv getesteten Personen, unter ihnen 16 Spielern, den traurigen Rekord. Der insofern verwundert, als die Deutsche Eishockey Liga (DEL) angibt, dass sie auf eine hohe Impfquote blicken könne. Kein Team, in dem weniger als 80 Prozent immunisiert wären, drei verweisen sogar auf hundert Prozent. Dennoch kommt es zu Impfdurchbrüchen. In München wird vermutet, dass es in der Mannschaft einen Superspreader gibt, der seine Viruslast innerhalb des Teams verbreitet hat. Die Spieler verbringen viel Zeit miteinander in muffigen Kabinen, teils ohne Fenster, sie sitzen stundenlang im Bus und vor Auswärtsspielen im Hotel an der Essenstafel. „Aber aufgrund der hohen Impfquote können wir davon ausgehen, dass es nur zu milden Verläufen kommen wird“, sagt der Sportmediziner Lutz Graumann, der zu einer Art Corona-Berater im deutschen Eishockey geworden ist.
17 Tage für die Rückkehr
Spannend wird nun: Wie sehr beeinflusst das Infektions- das sportliche Geschehen? Ein Return-to-play-Algorithmus, den die DEL mit der Verwaltungsberufsgenossenschaft entwickelt hat, empfiehlt auch bei symptomfreien Infizierten einen langsamen Wiederaufbau mit Vollbelastung erst wieder nach 17 Tagen. Halten sich alle Klubs daran? Oder fürchten sie, dass sie verlieren, wenn sie mit einem kleinen Spieltagskader aufs Eis gehen. Wer zehn Feldspieler und einen Torwart aufbieten kann, muss eigentlich antreten. Doch mit gerade einmal zwei Blöcken wird es auch für ein Topteam gegen einen Tabellenletzten schwer, wenn dieser vier Reihen hat und höheres Tempo gehen kann. Ein Leistungsträger hat in einer guten Mannschaft zwischen 18 und 22 Minuten Eiszeit pro 60-Minuten-Partie, plötzlich jedoch könnte er 35 Minuten lang gefordert sein.
Erinnerung an 2014
2014 gab es mal ein Spiel, in dem ein voll besetztes Team auf eines in Minimalstärke traf. Der ERC Ingolstadt hatte einen Magen-Darm-Virus in der Kabine, einige Spieler traten auf wackligen Beinen an, um in München die minimale Chance zu wahren. München siegte ohne Anstrengung 5:0. Die Ingolstädter, bis dahin ein zerstrittener Haufen, fühlten sich ungerecht behandelt, weil man sie aufs Eis zwang, sie entwickelten ungeahnten Zusammenhalt und wurden zehn Wochen später sensationell Deutscher Meister. Man kann also auch was draus machen, wenn man die Hosen voll hat.
Freundlicher Umgang, aber Terminnot
In dieser Corona-Saison gehen die Vereine aber sehr solidarisch miteinander um. Mannheim ließ das Spiel in München, das sportlich uninteressant gewesen wäre, verlegen, auch Aufsteiger Bietigheim und Meister Eisbären Berlin kamen den geschwächten Münchnern entgegen, die aus dem Vergelt´s Gott sagen gar nicht mehr rauskommen. Irgendwann wird es mit den Nachholterminen aber knapp: Das deutsche Eishockey hat neben dem DEL-Betrieb noch ein bisschen was vor: Deutschland Cup in Krefeld, Olympische Spiele in Peking, Weltmeisterschaft in Finnland. Plötzlich ist es Mai und alles vorbei.